Liebe Julia,
wir kennen uns nur flüchtig und haben nur einmal kurz auf einem LPT NRW miteinander gesprochen, aber vielleicht erinnerst du dich ja, ich bin der große schlaksige Kerl mit Dreadlocks, Bart und den vielen Kindern. Und ja, ich bin auch aktives Mitglieder der AG Waffenrecht und darüber hinaus auch Sportschütze. Deswegen war ich sehr erschrocken, in einem Bericht auf heise.de folgendes Zitat von dir zu lesen:
„Julia Schramm ihrerseits lobte Liquid Feedback als trollfreie Zone im Netz, in der das bessere Argument gewinne. […] Den von Malte Spitz erhobenen Vorwurf eines speziellen Sexismus unter den Piraten („Tittenbonus“, „Muschi als Türöffner für Bundestagswahlplätze“) quittierte sie mit der Hoffnung, die Piratenpartei könnte diese erbärmlichen Ausfälle ebenso loswerden wie sie die Waffenrechtler und andere Verirrte verabschiedet habe.“
Ich komme direkt zur Sache: Es ist sehr bedenklich, wenn du als Mitglied des Bundesvorstands der Piraten die Mitglieder der AG Waffenrecht auf die selbe Stufe stellst, wie Sexisten, Verschwörungstheoretiker, Rechte und andere problematisch Personen, die sich in der Partei tummeln. Auch Bernd und Klaus haben sich in der Vergangenheit ähnlich kritisch gegenüber der AG geäußert. Insgesamt halte ich diese Entwicklung für sehr problematisch, denn offenbar wird hier über eine Sache gerichtet, von der weder du, noch Bernd, noch Klaus irgendeine Ahnung habt. Warum ich nun dir schreibe? Nun, deine Formulierung war so ziemlich die krasseste und beleidigenste gegen uns, die ich bisher gelesen habe. Ich wundere mich, wie du dazu kommst so etwas zu Piraten zu sagen, die du nicht einmal kennst. Und ich frage mich, in welcher Weise du dich mit dem Thema auseinandergesetzt hast.
Ich vermute, dass du deine Aussage auf die LQFB Initiative von Hollarius stützt, die ja ein Verbot des Großkaliber-Schießsports fordert. In diesem Zusammenhang ist es gerade zu lächerlich die Aussage zu treffen, dass unser ach so tolles flüssiges Demokratie-Tool eine trollfreie Zone sei. Das ist es nicht und das kannst du an der genannten Initiative sehr gut nachvollziehen: Es wurden von Anfang an Fakten ignoriert, es wurde deutlich, dass der Autor der Initiative weder die bestehende Gesetzeslage kennt, noch sich mit entsprechenden Statistiken beschäftigt hat und trotzdem wurde die Initiative mit großer Mehrheit angenommen. Das hat mir persönlich gezeigt, dass die Piraten vor Populismus – denn nichts anderes ist diese Initiative, die übrigens 1 zu 1 hätte von den Grünen stammen können – nicht immun sind. Und offenbar sind es Teile des Bundesvorstands auch nicht. Und das Liquid Feedback irgendwie repräsentativ wäre – nun, das wissen wir alle – das ist im Moment nicht der Fall. LQFB ist nur repräsentativ für sich selbst, nicht aber für „die PIRATEN“.
Julia, sind wir nicht als Partei angetreten, die sich der Sachlichkeit verschreibt? Sind wir nicht die, die damals angetreten sind, weil wir diese Stopp-Schild-Symbolpolitik satt hatten? Sind wir nicht mehr die, die es besser machen wollen, als die Altparteien? Du musst uns nicht mögen und du musst auch nicht unsere Meinung teilen, aber uns öffentlich in deiner Funktion als Mitglied des Bundesvorstands zu bashen ist… deiner Position unwürdig. Höflich gesagt. Weißt du, ich denke die AG Waffenrecht ist mit eine der produktivsten AGs innerhalb der Partei. Wir haben schon einiges erreicht, obwohl wir noch nicht mal ein Jahr aktiv sind.
Es ist uns zum Beispiel gelungen Statistiken vom BKA zu bekommen, die seit 2002 unter Verschluss waren. Diese Statistiken können als sachliche Entscheidungsgrundlage für eine Veränderung des existierenden Waffenrechts dienen. Und wir haben es geschafft die Partei innerhalb der Schützenschaft sehr bekannt zu machen. Das unsere Arbeit dann von Piraten wie Hollarius und dir wieder zu nichte gemacht wird, ist sehr enttäuschend. Diese unsägliche LQFB Initiative hat jedenfalls unter uns Schießsportlern große Wellen geschlagen und deine Aussagen machen es irgendwie nicht wirklich besser.
Wir sind nicht fehlgeleitet, wir sind keine Verirrten und du musst uns auch nicht loswerden. Und erbärmlich sind wir erst recht nicht. Beschäftige dich bitte mit unserer Arbeit, rede verdammt noch mal mit uns, bevor du uns in der Öffentlichkeit durch den Kakao ziehst. Und wir sind auch keine Lobbyisten, wie so gerne behauptet wird. Wir sind im Moment die einzigen in der politischen Landschaft, die versuchen aufgrund von Fakten das zu belegen, was Sportschützen – eine durch die Altparteien mit Symbolpolitik gegängelte Bevölkerungsgruppe – seit Jahren sagen.
Du kannst ja mal in die von uns beschafften BKA Lagebilder schauen, die findest du hier auf dem Blog, oder auf den Wiki-Seiten der AG Waffenrecht. Da findet sich zum Beispiel sowas wie dieser interessante Absatz:
„Die Anzahl der Straftaten unter Verwendung von Schusswaffen und die Anzahl der Fälle in denen mit einer Schusswaffe gedroht, oder geschossen wurde, sind geringfügig angestiegen. Wenngleich das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung immer wieder durch einzelne Straftaten mit Schusswaffengebrauch, wie beispielsweise durch Amoktaten, stark beeinträchtigt wird, ist das für die Bevölkerung aus der Waffenkriminalität resultierende Gefährdungspotenzial gering. Straftaten, in denen Schusswaffen verwendet wurden, machen lediglich 0,2% der in der PKS erfassten Fälle aus.“
In diesen Statistiken werden allerdings Sportwaffen und illegale Waffen nicht differenziert. Du kannst aber davon ausgehen, dass Straftaten mit legal besessenen Waffen nur sehr selten vorkommen. Unter diesem Aspekt solltest du dir die Initiative zum Großkaliber-Verbot nochmal genau ansehen. Vielleicht wirst du feststellen, dass diese Initiative genau so symbolpolitisch ist, wie Stopp-Schilder vor Internetseiten zu heften, Bürger aufgrund von „Terrorismusgefahr“ unter Generalverdacht zu stellen, oder Bahnhöfe mit Kameras zu überwachen, anstatt mit Polizisten. Letztendlich musst du dir auch beim Waffenrecht die essentielle Frage stellen: Wollen wir einen Staat, der seinen Bürgern vertraut, oder wollen wir es nicht?
Ich habe diese Frage für mich beantwortet. Schon vor langer Zeit. Deswegen bin ich damals Pirat geworden. Und du?
PS: Es steht jedem frei diesen offenen Brief in den Kommentaren mit zu unterzeichnen.