Die Waffen des NSU Trios – eine Kurzanalyse

Die Aservate

Bei der Beräumung der Wohnung des mutmaßlichen NSU Trios in Zwickau werden im Protokoll der kriminaltechnischen Tatortarbeit folgende Waffenfunde angezeigt:

  1. Radom VIS 35, ohne Kaliberangabe, Fundort Fußboden Schlafzimmer
  2. ERMA EGP 88 PTB 476, Kal. 8mm Knall, Fundort Wandtresor
  3. Walther PP, ohne Kaliberangabe, Fundort Fußboden Flur
  4. Ceska 83 mit Schalldämpfer, Kal. 7,65 Browning, Fundort Brandschutt
  5. ERMA EP552S, Kal. .22lr, Fundort Brandschutt
  6. Revolver ME FLOBERT  COUNT, Kal. 6mm, Fundort Brandschutt
  7. Pistole Nr. 082839, ohne nähere Angaben, Fundort Brandschutt
  8. Pistole ohne Griffschalen, Baujahr 1945, ohne nähere Angaben, Fundort Brandschutt
  9. Revolver Smith & Wesson Combat, 9 mm Knall, PTB, Fundort Brandschutt
  10. Repetiergewehr mit abgeschnittendem Schaft, ohne nähere Angaben, Fundort Brandschutt
  11. Maschinenpistole, sne 1952 mit Klappschaft, ohne nähere Angaben (vermutlich PPS Typ 43), Fundort Brandschutt

Unterscheidung erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Schusswaffen

Das deutsche Waffengesetz unterscheidet grundsätzlich erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen. Erlaubnisfreie Waffen sind ab 18 Jahren mit entsprechenden Altersnachweis frei erwerbbar. Für erlaubnispflichte Schusswaffen wird eine durch die Waffenbehörden ausgestellte Erwerbsberechtigung (Waffenbesitzkarte gelb, grün, rot, oder ein Jagdschein) benötigt. Der Erwerb von Schusswaffen ist in der Regel und grob vereinfacht beschrieben in Deutschland nur durch längere Mitgliedschaft in einem Schießsportverein, oder durch die Betätigung als Jäger  möglich. Soweit bekannt ist, war kein Mitglied des NSU Trios im Besitz ein gültigen Erwerbserlaubnis. Alle erlaubnispflichten Schusswaffen müssen somit illegal erworben worden sein.

Liste der erlaubnispflichtigen Schusswaffen

  1. Radom VIS 35
    Anmerkung: Auch wenn Detailangaben fehlen, der Fundort lässt annehmen, dass die Waffe zum Selbstmord verwendet wurde. Es muss sich daher um eine erlaubnispflichtige Waffe gehandelt haben.
  2. Walther PP
    Anmerkung: Auch wenn Detailangaben fehlen, der Fundort lässt annehmen, dass die Waffe zum Selbstmord verwendet wurde. Es muss sich daher um eine erlaubnispflichtige Waffe gehandelt haben.
  3. Ceska 83 mit Schalldämpfer, Kal. 7,65 Browning
  4. ERMA EP552S, Kal. .22lr
  5. Revolver ME FLOBERT COUNT, Kal. 6mm
    Anmerkung: Flobert Revolver haben eine Mündungsenergie <7,5 Joule und somit so „gefährlich“, wie frei verkäufliche Druckluftwaffen, jedoch dennoch erwerbsscheinpflichtig, siehe WaffG.
  6. Pistole ohne Griffschalen, Baujahr 1945
    Anmerkung: Höchstwahrscheinlich aufgrund des Baujahrs erlaubnispflichtig, vermutlich defekt und Ersatzteilspender.
  7. Repetiergewehr mit abgeschnittendem Schaft
    Anmerkung: Höchstwahrscheinlich erlaubnispflichtig, da es sich um ein Repetiergewehr handelt. Evtl. Nagant M91, oder Mauser G98.
  8. Maschinenpistole, sne 1952 mit Klappschaft
    Anmerkung: Höchstwahrscheinlich erlaubnispflichtig aufgrund des Baujahrs, des Klappschaftes, die Bezeichnung „sne 1952“ lässt auf die russische Maschinenpistole PPS Typ 43 schließen.

Liste der erlaubnisfreien Schusswaffen

  1. ERMA EGP 88 PTB 476, Kal. 8mm Knall
  2. Revolver Smith & Wesson Combat, 9 mm Knall

Unklar

  1. Pistole Nr. 082839, ohne nähere Angaben, Fundort Brandschutt
    Anmerkung: Zu wenig Angaben für eine Zuordnung.

Bedeutung der verschiedenen Fundorte

Im Protokoll der kriminaltechnischen Tatortarbeit werden für die Schusswaffen vier verschiedene Fundorte genannt:

  1. Brandschutt
  2. Wandtresor
  3. Fußboden Schlafzimmer
  4. Fußboden Flur

Im Brandschutt wurde der überwiegende Teil der Waffen gefunden, wohl, um Spuren zu verwischen, was im Bereich der DNA Spurensuche auch erfolgreich war. Dennoch konnte die Ceska 83 später noch beschossen werden und mittels Vergleichsprojektilen als Tatwaffe identifiziert werden.

Interessant sind die Fundorte Schlafzimmer und Flur: Beide Waffen weisen jeweils einen Hülsenklemmer (Hülse ist nach dem Auswurf im Auswurffenster vom Schlitten eingeklemmt) auf und wurden offenbar von den männlichen Mitgliedern des Trios zum Selbstmord genutzt.

Das eine erlaubnisfreie Waffe im Wandtresor eingeschlossen wird, obwohl illegale Waffen in der Wohnung waren, ist als skurril zu bezeichnen.

Einschätzungen und Anmerkungen zum Arsenals

tl;dr: Veraltet und teilweise unübliche Kaliber, teilweise „ungewöhnliche“ Waffen, bis auf die verwendete Tatwaffe jedenfalls.

Radom VIS 35

… oder auch „Pistolet Vis wz. 35“, häufig einfach nur als „Radom Pistole“ bezeichnet. Von dieser polnischen Schusswaffe im Kaliber 9mm Parabellum (oft falsch als 9mm Luger bezeichnet), wurden vor dem zweiten Weltkrieg nicht mehr als 50.000 Stück hergestellt. Somit ist es verwunderlich, wie das kriminelle Trio an eine solche Waffe gelangen konnte, die unter Waffensammlern sehr begehrt ist. Es besteht auch allerdings die Möglichkeit, dass es sich um eine unter der Nazi Herrschaft produzierte Radom Pistole handelt, wovon bis Kriegsende mehr als 300.000 hergestellt wurden. Die Radom Pistolen mit Wehrmachtsstempel sind nicht so selten und auf legalen Märkten auch vergleichsweise günstig.

Walther PP

Bei der Polizeipistole (=PP) von Walther handelt es sich ebenfalls um eine Selbstladepistole älterer Bauart, die zudem noch in ungewöhnlichen Kalibern daher kommt: .22lr, 6,35mm Browning, 7,65mm Browning und 9mm kurz. Meiner Vermutung nach wird es sich um die Walther PP im Kaliber 7,65mm Browning gehandelt haben, da die Tatwaffe, die Ceska 83 ebenfalls dieses Kaliber verwendet. Aber das ist nur eine Vermutung, da normalerweise auf dem Schwarzmarkt eine Waffe mit der passenden Munition zusammen erworben wird.
Zur Pistole selbst ist zu sagen, dass sie sehr klein und handlich, und somit sehr gut verdeckt zu führen ist. Die PP ist der legendären Walther PPK (kennt ihr aus den Bond Filmen…) sehr ähnlich, nur dass die PPK noch kürzer als die PP ist.

ERMA EP552S

Die EP552S basiert äußerlich auf der Walther PPK, ist aber noch kleiner und als Taschenpistole zur Selbstverteidigung konzipiert. Auch wenn das Kaliber .22lr nicht so kraftvoll wie eine 9mm ist, so sind gezielte Schüsse mit dieser Munition dennoch tödlich. Diese Waffe halte ich in den falschen Händen für extrem gefährlich, da sie sich unglaublich gut verdeckt führen lässt. Die Bauweise ist allerdings auch alles andere als modern.

ME FLOBERT COUNT

Warum man sich eine solche Waffe illegal beschafft, ist mir schleierhaft, da Flobert Munition von den reinen Energiewerten her frei verkäuflichen Druckluftwaffen gleicht. Der Unterschied ist lediglich, dass das Projektil (Kal. 6mm) nicht mit kalten Gasen (Druckluft), sondern mit heißen Gasen (Patronenmunition) verschossen wird. Vielleicht mangelte es einfach an Fachwissen und die Waffe wurde deswegen illegal beschafft.

Pistole ohne Griffschalen, Baujahr 1945

Da lässt sich nur mutmaßen. Vielleicht ein Ersatzteilspender für die Radom, oder für die PP. Ohne Kaliberangabe und genauere Daten lässt sich dazu nicht viel sagen. Das die Pistole keine Griffschalen besaß spricht allerdings für einen Ersatzteilspender.

Repetiergewehr mit abgeschnittendem Schaft

Auch hier lassen sich keine genaueren Schlüsse ziehen, es könnte sich jedoch um einen Mosin Nagant M91/30 bzw. M44 handeln, oder ein Mauser Gewehr 98 bzw. K98. Das der Schaft abgeschnitten wurde zeigt allerdings ein wichtiges Detail: Offenbar war es dem NSU Trio wichtig, die Waffen gut verbergen zu können, weswegen der Repetierer gekürzt wurde. Da ein Gewehr ohne Schaft allerdings auf längere Distanzen nicht mehr zielsicher abgefeuert werden kann, war die Waffe wohl für den Einsatz aus näheren Distanzen gedacht. Vermutlich hat sich das Trio deswegen später auch für den Einsatz der schallgedämpften Ceska 83 entschieden: Die Waffe ließ sich relativ gut verbergen und der Schussknall war nicht so auffällig, wie bei einer Waffe ohne Schalldämpfer.

Maschinenpistole, sne 1952 mit Klappschaft

Auch hier ist es ohne genauere Angaben schwierig auf den exakten Typ der Waffe zu schließen, allerdings spricht die Bezeichnung „sne 1952“ für eine russische PPS Mod. 43. Hierbei handelt es sich um eine leichte Maschinenpistole mit Klappschaft. Auch diese Waffe lässt sich durch den Klappschaft relativ gut verbergen und schießt zudem vollautomatisch.

Die Tatwaffe Ceska 83 mit Schalldämpfer

Bei der Ceska 83, bzw. Vz.82 handelt es sich um eine relativ moderne Pistole, die seit 1980 produziert wird. Die Waffe lässt sich recht gut verdeckt tragen, da die Abmessungen in etwa eine Walther PP entsprechen. Mit aufgesetztem Schalldämpfer, wie er vom NSU Trio verwendet wurde, wird die Waffe jedoch mehr als doppelt so lang, kann aber z.B. unter eine Jacke dennoch komplett verdeckt geführt werden. Neben dem ganzen anderen „Schrott“, den das NSU Trio zu ihrem Arsenal gezählt hat, war dies wohl „endlich“ eine Waffe, die für die Morde perfekt erschien. Gute Führbarkeit und Dämpfung des Schussknalls.
Um an dieser Stelle mal etwas Aufklärungsarbeit zu leisten: Schalldämpfer auf Waffen hören sich nicht so an, wie ihr das aus dem Fernsehen kennt. Es macht nicht *plöp* und sonst ist nichts zu hören. Was man bei einem guten Schalldämpfer (und der auf der Vz.82 ist gut) hört, ähnelt eher einem Schlagen von Metall auf Metall und was danach kommt, ist abhängig von der Munition. Denn handelt es sich um Überschallmunition, gibt es einen zweiten Knall, wenn das Geschoss die Schallmauer durchbricht. Unabhängig davon hört man auch den Flug des Geschosses, eine Art Zischen und natürlich den Einschlag. Es ist schwierig zu beschreiben, wenn man es noch nie echt gehört hat, jedenfalls ist es anders als im Film und auch noch wesentlich lauter, aber nicht so laut, dass man einen Gehörschutz tragen müsste.

Fazit

Insgesamt gesehen lässt sich feststellen, dass das NSU Trio recht viele illegal erworbene Waffen besessen hat, wobei es sich zumeist um veraltete Waffen in für den Westen recht ungebräuchlichen Kaliber gehandelt hat. Alle Waffen hatten jedoch gemein, dass es sich um Waffen gehandelt hat, die eine gute Führbarkeit besitzen, oder sogar so umgebaut wurden, um sie besser führen zu können. Letztendlich kam bei den Morden dann aber die einzig „modernere“ Schusswaffe zum Einsatz, die in Kombination mit dem Schalldämpfer eine gute Mordwaffe darstellt. Mir ist klar, dass diese nüchterne Betrachtungsweise etwas perfide klingen mag, aber so ist es nun mal.

Im Internet werden auch einige Gerüchte gestreut, dass Aufgrund von nicht zuzuordnenden DNA Spuren die Tatwaffe nicht eindeutig den Tätern zugeordnet werden könnte, jedoch zeigt der Beschusstest mit anschließendem Vergleich der Projektile, dass es sich eindeutig um die Mordwaffe handelt. Ähnlich wie im Fall Barschel wird wild herumspekuliert und dabei das Offensichtliche übersehen.

Auch wird behauptet, die Vz.82 (bzw. Cz 83 wie sie im Export bezeichnet wird) wäre so ungewöhnlich, dass die Waffe wohl nur vom Verfassungsschutz beschafft worden seien könnte, diese Aussage verkennt allerdings die Schwarzmarktsituation bei Schusswaffen, bei denen oft Waffen aus dem ehemaligen Ostblock gehandelt werden. Dazu muss man nur mal durch die Polizeipresse stöbern und die Meldungen dazu genauer lesen, dann wird die Herkunft vieler Schwarzmarktwaffen deutlich. Der durch neuste Erkenntnisse aufgezeigte Erwerb der Cz 83 über die Schweiz ist als eher ungewöhnlich anzusehen.

Was ich deutlich kritisiere ist, dass die Herkunft der anderen illegalen Waffen im Ermittlungsverfahren nie richtig beleuchtet wurde. Alles dreht sich um die Tatwaffe, dabei wäre es für zukünftige Ermittlungen im rechtsradikalen Millieu durchaus wünschenswert die Beschaffungswege von illegalen Schusswaffen zu kennen.

Quelle: PD Südwestsachsen/ Komm. 12, Vorgangs-Nr. 269/11/173120

3 Kommentare

  1. Äh – kleiner Fehler. Die Täter haben sich nicht in ihrer konspirativen Wohnung erschossen, sondern nach einem Banküberfall in einem Wohnmobil. Deshalb können die im Haus gefundenen Waffen nicht für den Suizid verwendet worden sein. Die Waffen, die im Wohnmobil gefunden wurden, werden woanders aufgelistet.

    Such‘ mal nach nsu + tatortbefund + womo – Google spuckt da einiges aus. Und da handelt es sich teilweise um erheblich modernere Waffen, als das, was in der Wohnung gefunden wurde.

    Die Tatwaffe für den Suizid soll eine Pump-Action Schrotflinte gewesen sein, wenn man der Berichterstattung in den Medien trauen darf.

    • Marc

      Ah ja, da war ja was… aber schon seltsam, dass die zwei Waffen, die nicht dem Feuer übergeben wurden, beide eine Auswurfstörung hatten… seltsam.

  2. Da hat der örtliche VS wohl seine ganzen veralteten, defekten und unnötigen Waffen entsorgt. Muß ja auch mal sein. Die Munition für die ganzen Exotenkaliber ist ja teuer – wenn man sie überhaupt irgendwo kriegt.

    Terror-Sponsering ist auch nicht mehr das, was es zur Zeiten der RAF mal war.

    Im Wohnmobil hat man die zwei 9mm Dienstpistolen HK 2000 der Polizei gefunden, eine Ceska 70 in 7,65mm Browning, zwei Pump-Guns im Kaliber 12 (eine Mossberg Maverick und Winchester Defender 1200), 2 Revolver (Alpha Project und ein „SRS“, was eigentlich keine scharfe Waffe ist). Zuguterletzt noch eine kroatische Maschinenpistole „Pleter 91“.

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